Sind Nutzer der „Corona-Warn-App“ vorsichtiger? – Analyse von Verhaltensdaten


Smartphone-Apps sollen eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus spielen. Die Infektionen lassen sich zurückverfolgen und eine weitere Verbreitung kann frühzeitig verhindert werden, indem Warnmeldungen an Benutzer gesendet werden, die mit einer positiv getesteten Person in Kontakt waren. Die Corona-Warn-App vom Robert-Koch-Institut wurde bis zum 30.10.2020 mehr als 21 Millionen Mal heruntergeladen. Die App-Wirksamkeit hängt von der Anzahl ihrer Nutzer ab. Laut einer Oxford-Studie müssen 56% der Bevölkerung die App nutzen, um die Pandemie vollständig zu unterdrücken. Aber auch bei niedrigeren Zahlen über einem Minimum von 15% können die Infektionen und Todesfälle verhindert werden. Obwohl dies impliziert, dass die Corona-App einen Einfluss auf die Eindämmung des Virus hat, gibt es noch Potential mehr Leute für die App zu gewinnen.

Um mehr Leute für die Corona-App zu begeistern ist es daher entscheidend zu verstehen: Wer benutzt die Corona-Warn-App? Was unterscheidet ihr Verhalten von denjenigen, die es nicht tun?

Wir untersuchten das Bewegungsverhalten von Nutzern der Corona-Warn-App und Nicht-Nutzern und auch das digitale Smartphone Verhalten. Welche Gruppe ist mehr unterwegs? Ist es plausibel, dass sich die Nutzer von Corona-Apps durch ihre hohe Smartphone-Affinität von Nicht-Nutzern unterscheiden? Wer nutzt mehr Social & Communication Apps? Wer konsumiert eher passive Apps wie Videos und Spiele?

Insgesamt analysierten wir die Verhaltensdaten von 668 Probanden, von denen 290 die Corona-App installiert hatten. Die Daten wurden von Juli bis September 2020 mit Einwilligung der Probanden erhoben. In unseren Analysen konzentrierten wir uns auf das Mobilitätsverhalten, gemessen als zurückgelegte Entfernung in km und der Durchmesser des täglichen Bewegungsgebiets in km. Zweitens betrachteten wir die Dauer der Nutzung des Smartphone und der verschiedenen App-Kategorien.

Wie sich Corona-Warn-App Nutzer verhalten

Um das Mobilitätsverhalten von Personen mit und ohne Corona-App zu vergleichen, analysierten wir Datenpunkte, die von den Smartphones im Laufe des Tages gesendet wurden. Betrachtet man die durchschnittlich pro Tag zurückgelegte Strecke, so legten die Nutzer der Corona-Warn-App etwa 4 km weiter zurück als Nicht-Nutzer (Summe aller Verkehrmittel und zu Fuß).

Corona

Weiterhin analysierten wir den Durchmesser, in dem sich eine Person an einem Tag bewegt. Wir definierten den Durchmesser als die Entfernung zwischen den beiden am weitesten voneinander entfernten Orten an einem Tag. Ein kleiner Durchmesser von 1 km kann bedeuten, dass sich eine Person nur in ihrer Nachbarschaft, in unmittelbarer Nähe der Wohnung, aufhielt. In unserer Stichprobe verbrachten die Benutzer der Corona-Warn-App 22% der Zeit in einem Gebiet mit einem Durchmesser von 1 km. Im Vergleich dazu taten dies Nicht-Nutzer der App an 29% ihrer Tage. Auch tätigten Nutzer ohne Corona App weniger weitere Ausflüge (>20km).

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Neben der realen Bewegung der Corona-Warn-App Benutzer haben wir auch das digitale Verhalten untersucht. Wir fanden heraus, dass Menschen mit der Corona-App ihre Handys im Tagesdurchschnitt 5 Minuten länger benutzen (3:44 Stunden vs. 3:49 Stunden). Betrachtet man das digitale Verhalten genauer, so verbrachten Nicht-Nutzer der Corona-App etwa 4min mehr Zeit in Kommunikations-Apps (z.B. WhatsApp) und Social Apps (z.B. Instagram) [in Summe 110min]. Anderseits verbrachten Corona-App Nutzer im Durchschnitt mehr Zeit mit Spielen oder dem Anschauen von Videos (47 Minuten vs 45 Minuten).

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Was uns die Ergebnisse sagen

Es ist anzumerken, dass unsere Stichprobe überwiegend aus Personen unter 35 Jahren und etwas mehr Frauen als Männern bestand, weshalb sie nicht die Allgemeinbevölkerung repräsentiert. Dennoch lassen diese Ergebnisse einige interessante Schlussfolgerungen zu, die weiter untersucht werden können:

  1. Die Ergebnisse zum Mobilitätsverhalten könnten darauf hindeuten, dass Corona-Warn-App Benutzer im Allgemeinen nicht vorsichtiger sind, da sie weniger Tage in der Nähe ihres Wohnortes bewegen und auch eine höhere durchschnittliche tägliche Reiseentfernung zurücklegen als Nicht-Nutzer. Dies muss zwar noch weiter untersucht werden, eine plausible Erklärung könnte jedoch sein, dass die App von Personen heruntergeladen wird, die eher dazu neigen, mehr zu Reisen und Besuche zu unternehmen. Darüber hinaus könnte die Echtzeit-Risikoeinschätzung dem Benutzer ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit vermitteln, dass es ihm erlaubt, weniger vorsichtig zu handeln. Auf der anderen Seite könnten Menschen, die eher weniger reisen, möglicherweise nicht die Notwendigkeit des Herunterladens der Corona-App sehen.

  2. Wir haben festgestellt, dass Personen ohne Corona-App mehr Kommunikations- und Social-Media-Apps nutzen, obwohl die Gesamtnutzungsdauer am Smartphone geringer ist als die von Corona-App Nutzern. Dies könnte auch darauf hindeuten, dass Nicht-Nutzer weniger Besuche machen und digitale Lösungen bevorzugen, um mit anderen Menschen zu kommunizieren, und daher möglicherweise nicht die Bedeutung des Herunterladens der Corona-Warn-App einsehen. Mehr Werbung für die Corona-App auf diesen Plattformen könnte die Anzahl der Downloads und damit die Wirksamkeit der App erhöhen.

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