Objektive Alternativen zu Umfragen in der empirischen Forschung
By Murmuras on Sep 24, 2020
Sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in der Marktforschung gehören Umfragen zu den am häufigsten verwendeten Datenerhebungsmethoden, um menschliches Verhalten zu erfassen. Der Fragebogen als Forschungsmethode wurde vor fast 200 Jahren in London zum ersten Mal verwendet. Seitdem hat sich zwar das Medium von Umfragen von Papier zu Online weiterentwickelt, die Methode selbst ist jedoch im Wesentlichen gleichgeblieben. Neue Technologien und Neurowissenschaften bieten heutzutage oft aufschlussreichere Möglichkeiten, menschliches Verhalten zu messen.
Das Problem der kognitiven Verzerrungen (bias)
SUmfragen beruhen immer auf der Introspektion der Teilnehmer. Aber wie Teilnehmer etwas wahrnehmen, hängt immer von ihren subjektiven Meinungen und Erfahrungen ab. Forscher müssen sich daher bewusst sein, dass die Ergebnisse einer Umfrage nicht objektiv sind. Teilnehmer antworten nie auf eine Frage an sich, losgelöst vom Kontext, sondern berücksichtigen eine Reihe von Kontextfaktoren. Die meisten dieser Faktoren beeinflussen die Antwort, ohne dass die Person sich dessen überhaupt bewusst ist. Diese Prozesse werden als kognitive Verzerrungen bezeichnet.
Hier sind fünf der am weitesten verbreiteten Quellen für verzerrte Antworten (bias):
Framing-Effekt (Rahmungseffekt): Die Art und Weise, wie eine Frage formuliert und präsentiert (gerahmt) wird, wirkt sich darauf aus, wie Ihre Teilnehmer darauf antworten.
Self-serving bias (Selbstwertdienliche Voreingenommenheit): Menschen haben die Tendenz, Antworten zu geben, die ihr Selbstwertgefühl erhalten und stärken.
Soziale Erwünschtheit: Teilnehmer neigen dazu, Antworten zu geben, die sie ihrer Meinung nach sympathisch erscheinen lassen, auch wenn sie nicht ihre tatsächliche Sichtweise widerspiegeln.
Tendenz zur Milde/ Härte: Insbesondere bei Umfragen mit Likert-Skalen als Antwortformat können die Teilnehmer die Tendenz haben, häufiger extreme Antworten zu geben, auch wenn sie diese Ansicht nicht teilen.
Tendenz zur Mitte: Im Gegensatz zu einem extremen Antwortstil kann es vorkommen, dass Teilnehmer nur mittlere Antworten geben.
Ein zusätzliches Problem bei Umfragen besteht darin, dass dieselbe Person nur einmal oder höchstens zu einigen wenigen Zeitpunkten befragt werden kann. Selbst wenn man die Teilnehmer bittet, einen Fragebogen mehrmals auszufüllen, erhält man nur Momentaufnahmen und keine kontinuierlichen Erkenntnisse. Wenn Personen gebeten werden im Rückblick die Lücken zu füllen, besteht die Gefahr, dass ihre Angaben ungenau sind, da kognitive Verzerrungen der Erinnerung verzerren. Außerdem beeinflusst die Stimmung der Teilnehmer zum Zeitpunkt der Umfrage, ihre Antworten. So sind selbst die Antworten derselben Person zu zwei verschiedenen Zeitpunkten nicht unbedingt vergleichbar.
Darüber hinaus neigen Online-Umfragen auch zu hohen Abbrecherquoten, insbesondere wenn sie lange dauern oder an mehreren Zeitpunkten ausgefüllt werden müssen. Viele Abbrecher zu haben, kann problematisch sein, da es schwieriger wird, genügend Daten zu erhalten und es lange dauern kann.
Alternativen zu Umfragen
Es gibt andere “traditionelle Methoden”, um menschliches Verhalten zu untersuchen, wie Experimente und Interviews, aber auch diese beruhen auf Selbstberichten und haben ähnliche Nachteile wie Umfragen. Glücklicherweise: In Zeiten von Big Data, KI und modernen Gesundheitstechnologien können Forscher aus objektiveren Alternativen wählen.
Eine Möglichkeit, zu untersuchen, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, ist der Einsatz von Messinstrumenten wie Eye-Tracker, EEG oder fMRT. Auch andere physiologische Indizes, wie z.B. ein Anstieg der Stresshormone oder der Herzfrequenz, können aufschlussreich sein. Leider erfordern die meisten dieser Methoden eine spezielle Ausrüstung und Ausbildung.
Eine weitere leichter zugängliche Alternative zur Untersuchung des Verhaltens ist die Analyse von Smartphone-Daten. Als ständige Begleiter bieten Smartphones einen objektiven Zugang zum täglichen Leben und Verhalten der Menschen. Sie erfassen sowohl das digitale Verhalten (d.h. tägliche Routinen, Social-Media-Gewohnheiten, Kommunikationsverhalten) als auch Bewegungen in der realen Welt (d.h. GPS). Darüber hinaus können Wearables angeschlossen werden, um objektive Gesundheitsdaten zu erhalten.
Obwohl diese objektiven Tools keine direkte Sicht auf die Gehirne der Teilnehmer bieten, liefern sie in Echtzeit ein realistisches Bild des täglichen Verhaltens der Menschen. Ausgehend von der Forschungsfrage kann die Verwendung eines solchen objektiven Maßes zusätzlich zu einer der traditionelleren Methoden helfen, die Antworten der letzteren zu validieren. Für die meisten Forschungsfragen sind diese Werkzeuge von großem Wert, um menschliches Verhalten besser zu verstehen.